Storytelling funktioniert nicht nur über eine/n Erzähler/in oder das gedruckte Wort, sondern auch über Bilder, Gegenstände oder Materialien. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich also mit Textilkunst und möchte heute Künstler vorstellen, die Stoff und Kleidung auf ganz besondere Art für ihre Kunst verwenden. Die Dekonstruktion der Materialien in ihrer ursprünglichen Form ist auch hier Teil der Arbeit, um dem Folgeprodukt eine Bedeutung zu geben bzw. eine zum Teil auch politische Verbindung zwischen Alt und Neu herzustellen.
Mister Finch
Angefangen hat es mit einer Sonntagsbeilage einer großen, irischen Tageszeitung, in der ein Künstler vorgestellt wurde, der aus alter Kleidung, Accessoires und Draht teilweise mannshohe Figuren näht und zusammenbaut. Mister Finch heißt er und ich habe mich schockverliebt in seine Hasen, Eulen, Füchse, Pilze, Motten und viele andere märchenhafte, seltsame Kreaturen.
Finch, der zurückgezogen in Leeds/ UK lebt und arbeitet, kreiert mit seinen Figuren eine eigene, magische Welt, die sich zusammensetzt aus vermenschlichten Tieren, inspiriert durch englische Folk Tales und einem Hauch von gothic Märchen. Er verwendet gebrauchten Stoff, Kleider, Vorhänge, alles was er finden kann, und bearbeitet ihn so, dass es aussieht als wären seine Figuren lebendig und kämen gerade von der Gartenarbeit oder aus dem Wald.
(Alle Fotos mit Erlaubnis von Mr.Finch. www.mister-finch.com)
“I love to recycle. When I was working in restaurants and I didn’t have much money for fabrics, I’d use anything I could find. Black umbrellas from the roadside were perfect for making ravens and the wire rods made very good legs.” (Quelle: Artikel in der Yorkshire Post )
Jede Figur hat einen Namen und eine eigene Geschichte, die er auf seinen Social Media Kanälen erzählt. Inzwischen verkauft Finch, der seinen Vornamen geheim hält, auf Ausstellungen, aber auch seine internationalen Fans bekommen hin und wieder die Chance einige seiner Werke zu kaufen. Man muss allerdings auch etwas Kleingeld übrig haben, die Preise bewegen sich zwischen 300 und 3000 Pfund…
Im Moment präsentiert er seine neueste Kollektion auf Facebook und Instagram, die er für eine Shop Eröffnung der Marke Anthropology angefertigt hat. Hier ein paar meiner Lieblinge aus der fantastischen Welt des Mister Finch:

Darrow – mending and darning of clothes, silhouette cutter

Berry – excellent baker, darner, bedmaking and dusting

Trinket – mysterious mouse…time travel…wish granting…and card tricks
Noah Scalin
Auf diesen Künstler bin ich tatsächlich durch Prokrastination und Instagram Surfen gestossen. Aber was für eine Entdeckung, als ich mich näher mit ihm beschäftigt habe! Noah Scalin ist ein New Yorker Künstler, der sich in seinen Installationen und Pop-up Bildern mit der Vergänglichkeit unseres Lebens, der Natur, aber auch der Dinge, die wir täglich gebrauchen beschäftigt. Für einige seiner „anamorphic portrait installations“verwendet er neben CDs, Blumenblüten, Waschpulver und vielen anderen Gegenständen, auch gespendete Altkleider, die er so auf dem Boden arrangiert, das daraus ein Porträt entsteht. Man kann es natürlich nur erkennen, wenn man es von der richtigen Stelle aus betrachtet. Es lohnt sich einen Blick auf sein Instagram Profil zu werfen, dort postet er auch immer wieder kleine Filme seiner Installationen. Seine Porträts bilden oft Personen ab, die Großes unter schweren Bedingungen geleistet haben. Hier meine Lieblingsbeispiele:

James Conway Farley, der erste berühmte afrikanisch-amerikanische Fotograf in Amerika Photo: Noah Scalin

Maggie L. Walker – erfolgreiche Geschäftsfrau, die als erste Woman of Colour eine Bank geleitet hat. Photo: Noah Scalin
Der verhüllte Reichstag
Diesen Blogpost darf ich natürlich nicht abschließen ohne Christo und Jeanne-Claude erwähnt zu haben. Ihre Verhüllungen, unter anderem des Reichstags in Berlin im Juni 1995, mit riesigen Mengen an Stoff sind wohl die gigantischsten Beispiele für Textilkunst. Die Wahl von Stoff als Grundlage ihrer Installation traf das Künstlerpaar bewusst. So ist Stoff traditionell ein wichtiger Bestandteil in der Kunst – Faltenwurf, Drapierungen und Gewebestrukturen werden in Gemälden, Fresken, Reliefs und Skulpturen oft bis ins Detail abgebildet. Dieser Tradition wollten sie bei der Wahl des Materials folgen. (Quelle: Wikipedia)
Zeitguised
Abschließen will ich mit dem Künstler- und Designerkollektiv aus Berlin. Zeitguised bieten Art Direktion für große Firmen wie z.B. Chanel, Hugo Boss etc. an und produzieren Videos und Installationen, für die sie unter anderem auch Textilien verwenden. Die Videos kreieren einen fließenden, minimalistischen Raum, in dem die Textilien durch Bewegung in immer neue Skulpturen verwandelt werden. Es sieht aus, als würden merkwürdige, superbewegliche Aliens einen grotesken Tanz aufführen.
„A synthetic ghost shifts simulated textiles from passive matter to live organisms. They behave like apparitions in an artificial choreography, with movements that are imaginary yet familiar. Like a constant metamorphosis, the same sequence gets transformed over and over again.“ (Quelle: Zeitguised on Vimeo)
Bitte HIER das Video anschauen! (Ich check es leider nicht das Video hier einzubetten…)